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User Research

Geschätzte Bearbeitungszeit: 2-3 Stunden

In diesem Kapitel geht es um folgende Themen:

  • In dieser Einheit lernen sie Methoden kennen, die ihnen dabei helfen mehr über ihre primären Benutzenden herauszufinden
  • Sie lernen Verfahren zur Identifizierung der wesentlichen Merkmale Benutzender sowie deren Unterteilung in Benutzendengruppen
  • Die Rolle der Stereotypen und primären Personas in einem UCD-Entwicklungsprozess
  • Sie lernen die wesentlichen Bestandteile und die Durchführung eines teilstandardisierten Interviews kennen
  • Sie lernen, wie man teilstandardisierte Interviews als explorative Forschungsmethode einsetzt, um mehr über die Stereotypen und deren mentale Modelle und Nutzungserlebnisse zu erfahren und wie man diese Erkenntnisse in den weiteren bzw. in informatorische Entwicklungsprozesse einbettet.

Voraussetzungen

  • Sie kennen wesentlichen Elemente eines Nutzenden-zentrierten Entwicklungsprozesses
  • Sie kennen die elementaren Fehlannahmen, die häufig in Design- und Entwicklungsprojekten gemacht werden
  • Sie haben verstanden, dass und warum sich aus persönlichen Erfahrungen oder Wertesystemem keine Rückschlüsse auf die Bedürfnisse und Erwartungen von Benutzenden schließen lassen.

Warum dieses Thema wichtig ist

  • Kenntnisse in User Research sind entscheidend, da empirische Studien zeigen, dass eine systematische Erhebung von Nutzerbedürfnissen die Gebrauchstauglichkeit und Akzeptanz von Softwaresystemen signifikant verbessert (Goodman et al., 20122; ISO 9241-210, 20193).
  • Methoden der Benutzendenforschung wie Beobachtungen, Umfragen oder Tagebuchstudien liefern valide Daten über tatsächliches Nutzungsverhalten, was nachweislich zu passgenaueren und effizienteren Softwarelösungen führt (Lazar, Feng & Hochheiser, 2017)4.
  • Die Anwendung empirisch fundierter User Research-Methoden reduziert Entwicklungsrisiken, da sie eine frühzeitige Identifikation von Anforderungsabweichungen ermöglicht und so kostspielige Änderungen in späteren Projektphasen vermeidet (Maguire, 2001)5.
  • Interviewtechniken sind praxisrelevant, weil qualitative Interviews als eine der am häufigsten genutzten Methoden im User Research gelten und tiefe Einblicke in Motivationen, Erwartungen und Probleme von Nutzer:innen ermöglichen (Myers & Newman, 2007)6.
  • Der gezielte Einsatz professioneller Interviewmethoden steigert die Validität erhobener Daten, da strukturierte, halbstrukturierte und kontextuelle Interviews unterschiedliche Perspektiven abbilden und dadurch ein umfassenderes Verständnis des Nutzungskontexts schaffen (Brinkmann & Kvale, 2015)1.
  • Insgesamt tragen Kenntnisse in User Research und Interviewtechniken empirisch nachweisbar dazu bei, dass Informatiker:innen Produkte entwickeln, die sowohl die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer:innen erfüllen als auch in der Praxis erfolgreich und wettbewerbsfähig sind (Norman, 2013)7.

Inhalte

  1. Lektion 1: Ausgangslage und Vorbemerkung zum hier gelehrten Ansatz
  2. Lektion 2: Was sind Stereotypen und welche Rolle spielen diese im User Research
  3. Lektion 3: Was sind Anwendungsszenarien und wie setzt man sie ein
  4. Lektion 4: Wie gewinnt man Material für die Stereotypen und Anwendungsszenarien
  5. Lektion 5: Interviewarten und ihre Unterschiede
    • Für interessierte: Es gibt noch viel mehr Interview-Arten als die im Foliensatz aufgeführten. Eine sehr gute Übersicht findet sich hier Link to Book-Chapter
  6. Lektion 6: Das teilstandardisierte Interview
  7. Lektion 7: Gefahren des teilstandardisierten Interviews
  8. Lektion 8: Der Hawthorne-Effekt und seine Auswirkung in Feldstudien
  9. Anhang: Formulierung von Hypothesen

Ergänzende Materialien

Übungen / Aufgaben

  • Erstellen sie eine erste grobe Struktur der Projektmappe und insbesondere eine für Meilenstein #1. Überlegen sie sich hierzu, welche Elemente in den User Research müssen und wie sie diese methodisch addressieren wollen/werden. Leiten sie daraus dann eine erste Sturktur ab.
  • Planen sie ihr teilstandardisiertes Interview
    • Wählen sie die zu interviewenden Personen aus
    • Legen sie Themenschwerpunkte und das Erkenntnisinteresse fest
    • Erstellen sie eine erste Fassung des Interview-Leitfadens
    • Planen sie Zeit, Ort und Teilnehmende für die Interviewdurchführung

Lernzielkontrolle

Fragen zur Reflexion des Lernstoffes

Nach dem Durcharbeiten der o.g. Lektionen sollten sie folgende Fragen beantworten können:

  1. Von Ihrem Vorgesetzten erhalten Sie die Anweisung, im Rahmen der Benutzerforschung möglichst viele Nutzer als Stakeholder in den Anforderungsermittlungsprozess einzubinden; wie beurteilen Sie dies?
  2. Was ist bei der Auswahl der Stereotypen zu beachten?
  3. Wie findet man im Rahmen der Benutzererforschung geeignete Stereotypen?
  4. Was unterscheidet qualitative von quantitativen Methoden im User Research, und welchen Mehrwert bietet eine Kombination beider Ansätze?
  5. Diskutieren Sie, warum es im User Research wichtig ist, sowohl methodische Strenge als auch Flexibilität in der Gesprächsführung zu berücksichtigen.
  6. Welche Schritte gehören zur Vorbereitung eines teilstandardisierten Interviews, und warum sind sie für die Qualität der Ergebnisse entscheidend?
  7. Welche Strategien können Interviewer:innen anwenden, um soziale Erwünschtheit in den Antworten der Befragten zu reduzieren?
  8. Welche typischen Methoden werden im User Research eingesetzt?
    • A) Beobachtungen im Nutzungskontext
    • B) Interviews (strukturiert, teilstrukturiert, unstrukturiert)
    • C) Automatisierte Softwaretests
    • D) Fragebögen und Umfragen
  9. Welche typischen Fehlerquellen können bei Interviews im User Research auftreten?
    • A) Suggestivfragen durch die Interviewer:innen
    • B) Soziale Erwünschtheit bei den Antworten
    • C) Statistische Auswertung mit zu großem Datensatz
    • D) Fehlende Neutralität in der Gesprächsführung
  10. Welche Elemente sind typisch für einen Interviewleitfaden im teilstandardisierten Interview?
    • A) Eine feste Reihenfolge von Kernthemen
    • B) Geschlossene Fragen ohne Spielraum
    • C) Offene Fragen mit Raum für Nachfragen
    • D) Verzicht auf eine feste Struktur
  11. Bitte nehmen sie Stellung zu folgenden Thesen und begründen sie ihre Antwort
    1. Der Entwurf eines ausgewogenen Fragenkatalogs gilt bei der Durchführung eines teilstandardisierten Interviews als wichtigster Bestandteil.

Zusammenfassung

Das haben sie in dieser Einheit gelernt

  • Stereotypen können zu Benutzendengruppen zusammengefasst werden, um primäre Personas zu identifizieren.
  • Für die Einteilung in Benutzendengruppen sind charakteristische Merkmale ausschlaggebend; diese müssen vorab identifiziert und deren Ausprägungen bei den verschiedenen Stereotypen festgestellt bzw. untersucht werden.
  • Das teilstandardisierte Interview eignet sich sehr gut, um umbekannte Problemräume zu erforschen und mehr über die spezifischen Erfahrungen, Wünsche und Bedürfnisse Benutzender zu erfahren
  • Sie können einen Leitfaden für ein teilstandardisiertes Interview entwerfen und einsetzen.
  • Erkenntnisse (Erfahrung, Erwartungen, Wünsche etc.) aus dem teilstandardisierten Interview werden in Anwendungsszenarien zusammengefasst bzw. spiegeln sich dort wider
  • Anwendungsszenarien sind Quelle für die Anforderungsermittlung und -dokumentation (mehr dazu im Kapitel 3: Requirements Engineering)

  1. Brinkmann, S., & Kvale, S. (2015). InterViews: Learning the Craft of Qualitative Research Interviewing (3rd ed.). Sage. 

  2. Goodman, E., Kuniavsky, M., & Moed, A. (2012). Observing the User Experience: A Practitioner’s Guide to User Research (2nd ed.). Morgan Kaufmann. 

  3. ISO 9241-210 (2019). Ergonomics of human-system interaction – Part 210: Human-centred design for interactive systems. International Organization for Standardization. 

  4. Lazar, J., Feng, J. H., & Hochheiser, H. (2017). Research Methods in Human-Computer Interaction (2nd ed.). Morgan Kaufmann. 

  5. Maguire, M. (2001). Methods to support human-centred design. International Journal of Human-Computer Studies, 55(4), 587–634. 

  6. Myers, M. D., & Newman, M. (2007). The qualitative interview in IS research: Examining the craft. Information and Organization, 17(1), 2–26. 

  7. Norman, D. A. (2013). The Design of Everyday Things (Revised and Expanded Edition). Basic Books.